Eine kleine Musikgeschichte der letzten 40 Jahre
Songs wurden zu Klassikern:
Ob eine Platte ein Klassiker wird oder nicht
entscheidet nur die Zeit - so heißt es jedenfalls. Wenn man an manche Titel von
damals denkt, sollte man eigentlich annehmen, daß man damals im Studio sagte:
"Das ist etwas ganz besonderes - an diesen Song wird man sich noch nach
Jahren erinnern." Angesichts der uns heute in Rock und Pop auf Schritt und
Tritt begegnenden musikalischen Weckwerfartikel läßt
sich kaum sagen, welche der gegenwärtigen Hits einmal als Klassiker gelten
werden. Die Musiker - egal, für wie originell und erfindungreich sie sich auch
halten mögen - quält überdies noch der Zweifel, ob es nicht alles schon
einmal so gemacht wurde; bekanntlich gibt es ja nichts neues unter der Sonne.
Im Gegensatz hierzu stehen die hier beschriebenen Platten: Denn als sie aufgenommen
wurden, betraten die Künstler tatsächlich musikalisches Neuland. Niemand hatte
je zuvor etwas wie GOOD VIBRATIONS gehört. Brian Wilson, das Genie hinter
diesem Song, hatte 6 Monate lang in 4 verschiedenen Studios an diesem Stück
gearbeitet und der damals verfügbaren Studiotechnologie alles abverlangt. Als
das Lied endlich herauskam, wurde es sofort von allen Seiten mit Lob
überschüttet. Dank der berühmten Umfrage im NME konnten
BEACH BOYS nach ihrer
Tournee im November 1966 sogar die Beatles als "Beste Band der Welt
verdrängen"
Ob Ray Davis die Langlebigkeit von YOU REALLY GOT ME ahnen
konnte (oder sogar
erwartete) als die KINKS-Nummer 1964 die Nr.1 eroberte, ist ungewiß -
jedenfalls steht fest, daß das eingängige Riff zu einem der großen Motive des
Rock geworden ist, das praktisch jeder Rocker von Ruf (von Mott the Hoople bis
Van Halen) mindestens einmal interpretiert hat.
THE KINGSMEN stammen
aus Portland im amerikanischen Bundesstaat Oregon und hatten 1962 bereits einen
Ruf als solide R & B Band aufgebaut. Der größte Hit der Band war
allerdings LOUIE LOUIE,
eine (ursprünglich 1956 geschriebene) Nummer von Richard Berry, die zu festen
Bestandteil aller Auftritte wurde und als Zugabe manchmal 45 Minuten dauerte!
Als die Band schließlich $ 50 zusammengekratzt hatte, um den Song in einem
kleinen Studio in Portland aufzunehmen, wurde ein Klassiker geboren.
Der Rock ´n Roll veränderte sich:
Die aus dem unbändigen Rock ´n Roll
hervorgegangene Popmusik der sechziger Jahre war ein Hexenkessel sich unentwegt
entwickelnder Stilrichtungen. Es erfreuten sich zwar nur noch wenige Stars des
Rock ´n Roll einiger Beliebtheit, ihr Vermächtnis lebte jedoch unvermindert in
der Suche einer neuen Generation nach einer noch stärkeren und noch lauteren
Rebellion fort.
Obwohl die amerikanische Musikszene während der ersten Hälfte jenes Jahrzehnts
den Ton angab, hatte die britische Szene schnell aus übernommenen Ideen einen
eigenen Stil, eine eigene Einstellung und eigene Klänge entwickelt. Dank des
beispiellosen Fortschritts im internationalen Reiseverkehr und
Kommunikationswesen weitete sich dieser Ideenaustausch rasch aus, so daß Mitte
der sechziger Jahre bereits eine neue, eigenständige Musikrichtung eindeutig
erkenntlich war. Bis sich dieser neu entstandene Stil für immer als Rock
eingebürgert hatte, bedurfte es jedoch der großen Konzerte und Festivals.
Die Veranstalter merkten bald, daß dies durchaus machbar und es wesentlich
profitabler war, von den Tourneen in verhältnismäßig kleinen Hallen abzusehen
und statt dessen groß angelegte und oft unter freiem Himmel stattfindende
Extravaganzen zu veranstalten, bei denen riesige Mengen (nach Möglichkeit
zahlender) Kunden Einlaß fanden. Um den zur Anlockung derartiger Menschenmengen
erforderlichen Wirbel zu erzielen, mußten die Bands in der Lage sein, einmalige
Vorstellungen zu geben und mit ihrem Spiel sowohl musikalisch als auch visuell
für Aufregung zu sorgen. Gewiß, sie mußten ihre Fans in hellen Aufruhr
versetzen können - aber vor allem mußten sie Rocken können!
In den späten sechziger Jahren entstand eine schwere Richtung des Rock, die als
Heavy Metal bekannt wurde. Nach einigen Fehlstarts und Umbesetzungen etablierte
sich die Band DEEP PURPLE als führender Exponent
dieses Stils.
Die anbrechenden siebziger Jahre läuteten eine gänzliche neue Stilrichtung im
Rock ein, dem HEAVY METAL.
Woodstock Festival:
In vielerlei Hinsicht war das Woodstock Festival
von 1969 der Brennpunkt für die Geburt dieses neuesten Sprößlings des Rock
´n Roll, da so viele Gruppen (darunter auch eine Reihe importierter Bands) ihre
Karrieren dort begannen oder festigten.
Vier Jahre unablässiger Tourneen sowohl in den Vereinigten Staaten als auch im
Vereinigten Königreich der unermüdlichen R & B Band TEN
YEARS AFTER wurden in Woodstock durch eine glanzvolle Leistung der
englischen Gruppe gekrönt.
Die ursprünglich aus einer Jug-Band hervorgegangene Gruppe
CANNED
HEAT begeisterte in Woodstock gleichfalls mit ihrem elektrischen Blues
und Boogie. Darauf folgende Tourneen verhalfen der Gruppe zu einem treuen
Gefolge. 1970 wurde LET`S WORK TOGETHER (die
Neueinspielung eines Songs von Wilbert Harrison) ein riesiger Hit auf beiden
Seiten des Atlantiks. AL "Blind Owl" Wison, einer der Gründer der
Band, starb kurz darauf auf tragische Weise an Drogenmißbrauch.
Nach seinem triumphalen Erfolg in Woodstock dürfte sich JOE
COCKER rückblickend über seine tätigkeit als Gasinstallateur nur
gewundert haben. Für seine mittlerweile legendäre Fähigkeit als
Liederinterpret und sein Gesangstalent war DELTA LADY
von nLeon Russel im November 1969 genau richtig.
Woodstock war aber auch für lan Matthew McDonald von größter Bedeutung
gewesen. Nachdem er Fairport Convention verlassen hatte, gelang ihm als
MATTHEWS
SOUTHERN COMFORT mit Joni Mitchells WOODSTOCK
ein weiterer Hit.
Die Musikindustrie:
Mitte der siebziger Jahre war Rock ´n Roll zwar beliebter als je zuvor, litt jedoch gleichzeitig unter der zersetzenden Wirkung des eigenen Erfolges. Die zeitweilige Beschäftigung mit "Glam" und "Glitter" hatte den überschwenglichen Pomp zwar ein wenig aufgemöbelt, es bedurfte zur Rettung jedoch noch tiefgreifenderer Änderungen, die allerdings erst durch New Wave eintraten. Dies soll keineswegs heißen, daß damals keine guten Platten mehr aufgenommen wurden, sondern lediglich, daß die damals ziemlich zügellosen Exzesse innerhalb der Musikindustrie, die Musik selber allmählich übertrumpften. Die Musikindustrie hatte seit den sechziger Jahren betrachtlich an Reife gewonnen und hatte sich mittlerweile in ein waschechtes (und überaus profitables!) Geschäft entwickelt. Wie auch viele andere erfolgreicher Geschäfte, begann die Musikindustrie nun Moos anzusetzen.
Das Pop-Video:
Ende der Siebziger hatte sich das Pop-Video fest
als Teil der Rock- und Pop-Kultur etabliert, und Sender wie
MTV
fanden sowohl eine aufnahmebereite Zuschauerschaft vor, als auch eine
Plattenindustrie, die Publicity-hungrig war. als sie erkannte, daß die
Jugendkultur inzwischen an dem visuellen Erlebnis genauso interessiert war, wie
an dem Hören der Musik.
Selbst die langbärtigen ZZ TOP-Leute
wollten mitmischen. Sie hatten nie angst davor, musikalische Experimente
anzustellen, deshalb bereicherten sie ihren vertrauten Texas Boogie 1982 höchst
wirkungsvoll um Synthesizer, und nahmen die MTV-Videokultur problemlos an. Eine
Trilogie klassischer, von Tim Newman produzierter Videos katapultierte das Album
"Eliminator" zu weltweitem Erfolg. Das erste dieser drei,
GIMME
ALL YOUR LOVIN, vermittelte genau das, worum es bei
Rock ´n Roll-Träumen geht - Autos, Mädchen und Gitarren.
Es war zweifellos das Video von ADDICTED TO LOVE,
das ROBERT PALMER
seine erste millionfach verkaufte Single bescherte.
Er hatte schon seit Mitte der Siebziger edle Alben gemacht, nachdem sich die
Gruppe Vinegar Joe aufgelöst hatte, in der er und Elkie Brookes Leadsänger
waren, und es war einfach unmöglich, ihn musikalisch einzustufen. Trotzdem kam
es als eine ziemliche Überraschung, als er sich mit Andy und John Taylor
zusammentat - die sich von ihren Pflichten bei Duran Duran "ausruhten"
- um die eher kurzlebige Band POWERSTATION
zu gründen. Ihre Coverversion von Marc Bolans GET
IT ON war ein Vorgeschmack auf ein Projekt,
das die Taylors anhand von Tourneen und einem Auftritt beim bevorstehenden Band
Aid Konzert weiterführen wollten. Palmer entschied sich dagegen, aber die alte
Garde, nämlich STATUS QUO,
stand zur Verfügung. Ihre eigene Coverversion, dieses Mal von einem John
Fogerty Song, ROCKING ALL OVER THE WORLD,
war schon 1977 ein Hit, aber hauptsächlich erinnert man sich daran, daß dies
das Eröffnungslied für die Live Aid Veranstaltung war, die an jenem herrlichen
Sommertag im Jahre 1985 stattfand.
Als 1968 Steppenwolf den Song "Born to be Wild" herausbrachte, wurde er 1969 durch den Kultfilm Easy Rider der Kultsong aller Biker und ist es heute noch.
Die
Hippy-Rocker Wyatt und Billy wollen nach New Orleans zum Karneval mit ihren
Maschinen. Unterwegs nehmen sie einen nicht nur LSD und Marihuana, sondern auch
noch einen Anhalter mit. Nach einem Aufenthalt in einem alternativen Hippy-Camp
kommen sie dann endlich in New Orleans an und werden dort auch sofort
festgenommen, weil sie in der Parade mit ihren Motorrädern mitgefahren sind.
Der Anwalt George holt sie dort raus und schließt sich ihnen an, sie wollen nun
zu Dritt einen bekannten und feinen Puff aufsuchen. In der Nacht werden die drei
von bornierten Kleinstadtleuten mit Knüppeln traktiert, wobei George stirbt.
Wyatt und Billy machen sich wieder alleine weiter auf den Weg, nicht ohne George
vorher seines Geldes zu erleichtern und das Bordell aufzusuchen.
Dieser Film spiegelt die Jugend
der 60er Jahre wieder, oder vielleicht eher die Jugend, wie sich selbst gern
gehabt hätte.
"Easy Rider" war übrigens
der amerikanische Beitrag zu den Filmfestspielen in Cannes 1969 und wurde als
bester Film gewählt. Dennis Hopper führte hier auch das erste Mal Regie und
auch Jack Nicholson konnte mit diesem Film seinen Durchbruch erringen. Im Ganzen
ein Film,der eigentlich doch eher ruhig ist, es passiert nicht allzuviel, doch
dafür ist dann der Schluß umso bewegender. Die Bilder des Filmes sind
teilweise schmuddelig und teils bestehen sie aus grandiosen
Landschaftsaufnahmen, wie sie in keinem Western hätten besser eingefangen
werden könnten.
Originaltitel: Easy Rider
Regie: Dennis Hopper
Darsteller: Peter Fonda, Dennis
Hopper, Jack Nicholson
USA 1969